Sonntag, 22. Mai 2016

Haben die einen Vogel?

von Thomas Heck...


In einem Rechtsstaat kann man nicht alles machen. Miete muss bezahlt werden, wenn nicht, kann die Zwangsräumung erfolgen. Auch für den Neubau von Wohnungen, muss ab und zu alte Bausubstanz weichen, auch wenn es den Mietern nicht gefällt. Da wird der Widerstand schnell kreativ.


Die letzte Mieterin ist seit Monaten raus, aber dann entdeckte ein Nachbar doch noch Bewohner. Spatzen! Die Folge: Abriss-Stopp der Edel-Platte in der Wilhelmstraße nahe dem Brandenburger Tor (Mitte). Mindestens bis Ende September kann kein Bagger anrollen.

Der Tipp an das Umweltamt des Bezirks kam von einem Anwohner, natürlich anonym: „Möchte Ihnen an dem Gebäudekomplex Wilhelmstraße 56–59, welcher vor dem Abriss steht, das Vorhandensein von Niststätten von Gebäudebrütern melden. Habe eine stichprobenartige Überprüfung vorgenommen …“

Experten des Umweltamtes waren alarmiert, forderten den Investor zum Handeln auf. Eine Ornithologin ging ans Werk: Mit einem Fernglas suchte sie die Fassade ab, beging das Gebäude mit einem Fledermaus-Detektor.

Sie wurde fündig! In den Fugen der Waschbeton-Fassade, im Giebel und hinter einem Regenfallrohr steckten 78 Nester von Spatzen, von denen es rund 120 000 Brutpaare in der Stadt gibt. Eventuell gehören einige Nester auch Mauerseglern.

Die Ornithologin schreibt in ihrem Gutachten: „Da der Abriss in der Brutzeit durchgeführt werden soll, müssen nach und nach unbesetzte Nistplätze verschlossen werden.“ Klappte aber nicht, nach dem Ende des ersten Brut-Zyklus bis Mitte Mai waren nicht alle Ritzen dicht, deshalb wird jetzt bis Ende September gewartet.

„Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Hier ziehen Nachbar alle Register, um den Neubau von neuen Wohnungen zu verhindern“, sagt Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (45, CDU).

Die Ex-Mieter hatten richtig abkassiert: Über fünf Millionen Euro Abfindungen hatten die Investoren gezahlt, viele zogen gleich gegenüber in eine Ersatzwohnung in der früheren Promi-Platte. Dort wohnte auch Angela Merkel (61, CDU) in den 1990er-Jahren. Auf dem Abriss-Grundstück soll ein nobler Neubau mit 165 Wohnungen (ab 490.000 Euro) errichtet werden.


Die entscheidende Erkenntnis. Menschen kann man rausschmeißen, ihrer Heimat berauben. Da kennt man keine Gnade... aber wehe, Spatzen müssen darunter leiden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen