Samstag, 20. Mai 2017

Wenn ein Terroranschlag kein Terroranschlag sein darf

von Thomas Heck...

Wenn in New York ein Muslim mit seinem Auto, wenn auch bekifft, über den Time Square rast und Menschen umrast, dabei eine Person tötet und viele teilweise schwer verletzt, kann es für die Süddeutsche kein Terroranschlag sein, darf es kein Terroranschlag sein. Nur ein Unfall. Eine fast hörbare Erleichterung.

Dass der Täter ein Muslim war und das Geschehen nach allem aussieht, nur nicht nach einem Unfall, interessiert da nur noch am Rande. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Schauen Sie das Überwachungsvideo und entscheiden Sie für sich selbst. Ein Unfall ist eine weitestgehend zufällige Begebenheit, ausgelöst durch ein Versehen, einen Fehler oder einer Ablenkung. Was wir hier sehen, ist ein erkennbarer Vorsatz. Was die Motivation des Fahrers war, wird man untersuchen müssen. Wenn aber in der heutigen Zeit ein Muslim ein Auto als Waffe einsetzt, darf von einem Anschlag ausgegangen werden, muss von einem Anschlag ausgegangen werden. Da kann die Süddeutsche noch so oft von einem Unfall schwafeln, wie sie will. Die Motivation der Süddeutschen ist offensichtlich: verschleiern von Fakten, beruhigen der dummen Bevölkerung.



Es war ein Unfall, titelt die Süddeutsche erleichtert.


Als am Donnerstag ein Auto am Times Square in eine Menschenmenge rast, reagieren viele Sender unangemessen. Damit setzen sie ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.


Kommentar von Carolin Gasteiger


Ein Auto rast am Times Square in eine Menschenmenge. Und die Assoziationskette geht so: New York. Times Square. Menschenmenge. Auto. War das nicht ...?

Nein. Das, was am Donnerstagmittag mitten in Manhattan passiert ist, war kein Terroranschlag. Ein ehemaliger Soldat war mit seinem Auto den Gehweg entlang gerast, ein 18-jähriges Mädchen kam ums Leben, 22 Menschen wurden verletzt. Um es nochmal zu sagen: Es war kein Terroranschlag, sondern ein Unfall, wie es Bürgermeister Bill De Blasio in einem ersten Statement nannte.

In der Berichterstattung einzelner Fernsehsender war dieser Umstand jedoch kaum zu erkennen. Auf N 24 etwa, wo schon kurz nach den Ereignissen eine Direktübertragung eingerichtet wurde, waren zum Teil drastische, blutige Bilder zu sehen: Panische Menschen, Verletzte in Nahaufnahme, die von Sanitätern versorgt werden, Polizeibeamte, die die Kamera verscheuchen. Bilder, die auch bei einem Anschlag äußerst fragwürdig sind, bei einem Unfall aber vollkommen unangemessen.

Werfen Medien so voreilig die große Maschinerie an Liveübertragungen und Dauerschleifen an, riskieren sie damit ihre Glaubwürdigkeit. Wenn bei einem Unfall schon so ausführlich berichtet wird, wie reagiert man dann erst, wenn wirklich ein Terroranschlag passiert? Je alarmistischer die Medien agieren, desto eher haben Terroristen ihr Ziel erreicht. Viel wichtiger wäre es gewesen, auf die grausamen Bilder aus Manhattan zu verzichten und gelassen zu bleiben. Und wünschenswert wäre, dass diese Gelassenheit auch im Ernstfall noch gilt. Und Besonnenheit Panikmache und Alarmismus ablöst.

Das Perfide bei Vorfällen wie am Time Square ist zudem: Sobald feststeht, dass es sich "nur" um einen Unfall gehandelt hat, ist die allgemeine Erleichterung groß. Ein Unfall wird als weniger tragisch oder schlimm eingestuft als ein Terrorakt - schließlich hat hier niemand mit Absicht gehandelt. Für die Angehörigen der Opfer aber ändert es nichts: Tot ist tot.



Mehr Reporter als Passanten: der Times Square nach dem Unfall. (Foto: Johanna Bruckner)

Je mehr Terroranschläge an bekannten Orten verübt werden, desto mehr verändert sich auch die andere Berichterstattung. Oft melden Medien Vorfälle nur, um gleichzeitig zu entwarnen. Um, wie in diesem Fall zu sagen, es war eben kein Terroranschlag. Man kann darüber streiten, ob diese Contra-Berichterstattung die Terroristen bei ihrem Vorhaben, Angst und Schrecken zu verbreiten, nicht sogar unterstützt - ohne, dass sie einen Finger rühren müssen. Oder ob es nicht konsequenter wäre, gar nicht über Ereignisse wie am Times Square zu berichten. Schließlich benötigt der Zuschauer Einordnung, nicht Panikmache.

Immer wieder heißt es, wir sollen Terror gegenüber nicht abstumpfen, aber unsere Lebensgewohnheiten auch nicht ändern. Nach dem Motto "Jetzt erst recht" weiter ausgehen, in Urlaub fahren und so weiter. Umgekehrt sollte es uns aber auch nicht kalt lassen, wenn Menschen bei einem Anschlag ums Leben kommen oder verletzt werden. Aber dafür muss man sie nicht im Close-Up filmen.

Aufgrund ihrer Unmittelbarkeit und ihres Bildbedarfs sind Fernsehsender in einer solchen Situation natürlich in einer besonderen Bredouille. Wer nicht als erstes berichtet, verpasst den Anschluss und zieht womöglich die Kritik der Zuschauer auf sich. Wer zu nah rangeht, ebenso.

Die Berichterstattung nach einem Ereignis wie am Times Square dürfe "nicht zu einer Selbstzensur führen, die die Realität und in Teilen auch die Brutalität eines Ereignisses beschönigt", sagt die Sprecherin von N24, Kristina Faßler. Ähnliches hört man beim Sender n-tv, der ebenfalls schnell Breaking News aus New York vermeldete. Dass so etwas ausgerechnet am Times Square passieren könne, einem der populärsten und am besten gesicherten Plätze der Welt - und dass es noch dazu kein zufälliger Unfall, sondern eine Amokfahrt mit gezielter Tötungsabsicht gewesen sein könnte, habe den Sender dazu veranlasst, auch weiterzusenden, nachdem klar war, dass es sich nicht um einen Terroranschlag handelte, erklärt eine Sprecherin. Ob der Fahrer den Wagen tatsächlich absichtlich in die Menge lenkte, ist allerdings unklar.

N24 steht nicht zum ersten Mal in der Kritik: Vielen Zuschauern waren etwa die Bilder vom Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 zu drastisch. Abwägungssache, heißt es beim Sender. Man müsse im Einzelfall entscheiden, wie schnell und ausführlich man über einen Vorfall berichte. Feste Richtlinien gibt es jedenfalls nicht. Auf dem Times Square waren am frühen Donnerstagnachmittag mehr Reporterteams als Passanten. Um all die Sendeminuten zu füllen, filmten sie sich auch gegenseitig. Gut möglich, dass die Verantwortlichen bei N24 im Nachhinein anders entscheiden würden. In diesem Fall hätten sie vorsichtiger reagieren müssen.

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