Donnerstag, 29. Juni 2017

FOCUS: Fakten, Fakten, Fakten und nur nicht die Wahrheit sagen...

von Kai Schirmer...

Seit nun beinahe einem dreiviertel Jahrhundert werden die monströsen Verbrechen des Nationalsozialismus analysiert und jedes grausame Detail besprochen, Holocaust-Überlebende halten Vorträge, auch an Schulen, und berichten von Dingen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Das ist richtig, das ist gut so! Wie anders, als durch Wissen, könnte man ssolche Verbrechen verhindern? Aber heute kommt eine Linda Hinz, ihres Zeichens Redakteurin von FOCUS-Online, und schreibt allen Ernstes darüber, dass nicht alle Verbrechen des IS dem Leser zugemutet werden könnten. Das es den IS unterstützen würde, wenn wir all die perversen Grausamkeiten wüßten, die der IS an seinen Opfern verübt. So ein verdammt junge Person verteidigt, dass uns nur gefilterte Nachrichten erreichen. Was erlaubt sich diese Linda Hinz? 

Sollen wir in Zukunft auch nur noch die Soft-Version von Auschwitz zu lesen und zu hören bekommen? Kann man der Bevölkerung zumuten, von den Kindern zu erfahren, die in den Gaskammern umkamen? Von den Menschen, die zum Spaß von irren SS-Wachmännern erschossen wurden? Von den perfiden Experimenten eines Arztes namens Mengele? Können wir den Menschen Auschwitz überhaupt zumuten?

Linda Hinz (geb. Wurster) wurde 1987 in Gerlingen bei Stuttgart geboren. Sie absolvierte die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft und studierte Volkswirtschaftslehre (Bachelor) und Politikwissenschaften (Master) an der Universität zu Köln. Seit April 2013 arbeitet sie als Nachrichtenredakteurin bei FOCUS Online. Seit 2015 leitet sie als Nachrichtenchefin die Ressorts Politik, Panorama und Unterhaltung.

Lesen Sie selbst:

Es ist eine neue furchtbare Geschichte aus dem Irak. Eine irakische Abgeordnete hat sie erzählt. Sie handelt davon, was IS-Terroristen gefangenen Jesidinnen antun. Wir werden diese Geschichte nicht wiedergeben. Das hat einen Grund.

Meinen ersten Artikel über den Islamischen Staat schrieb ich im Juni 2014, vor fast drei Jahren. Damals hatte die Terrormiliz gerade im Irak ein Kalifat ausgerufen. Ihre Kämpfer standen damals vor Badgad. Tausende irakische Soldaten wurden abgeschlachtet. Entsetzt sah ich bei Recherchen Bilder und Videos von Enthauptungen. Es folgten viele weitere Artikel.

Fassungslos erfuhr die Welt über die Medien, wie die mordenden Horden durch den Irak und Syrien zogen, unschuldige Männer, Frauen und Kinder töteten, Homosexuelle von Gebäuden warfen, Frauen vergewaltigten und versklavten, Gefangene in grausamen Inszenierungen vor laufender Kamera hinrichteten.

Die Terroristen haben schnell verstanden

Doch wie die meisten Journalisten gab ich nicht alles, was ich bei meinen Recherchen sah, an unsere Leser weiter. Denn wer sich durch Propaganda-Videos und -Magazine quält, sieht mehr als nur Gewalt und Tote.

Schnell haben die Terroristen verstanden, dass ihnen ihre Grausamkeit und ihre Bereitschaft, jede menschliche Grenze zu überschreiten, einen wichtigen Vorteil bringt: Aufmerksamkeit. Einerseits bei potenziellen Anhängern – andererseits bei der entsetzten Öffentlichkeit. Journalisten und Politiker ringen angesichts des Unfassbaren um Worte und lassen den IS dadurch noch bedrohlicher erscheinen, als er ist.

Einen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun

Obwohl wir das wissen, berichten wir über Massaker, die systematische Versklavung von Frauen, die brutalen Regeln in den vom IS besetzten Gebieten, die Zerstörung von Kulturschätzen, die verheerenden Folgen von Attentaten. Auch damit tun wir den Terroristen einen Gefallen - aber es geht nicht anders, weil die Welt davon erfahren muss.

Doch einen anderen Gefallen müssen wir ihnen nicht tun: Nämlich den, auf jede neue Steigerung der Gewalt und Menschenverachtung, auf ihre Perversionen und kranken Inszenierungen einzugehen. In den Propaganda-Filmen, -Seiten und Magazinen sind nicht nur Tote zu sehen. Es sind auf perverse Art und Weise entstellte Tote. Eine Leiche ist eine Leiche, eine naheliegende menschliche Regung bei ihrem Anblick ist Bedauern. Doch der IS will mit seinen Opfern kein Bedauern auslösen, sondern sie im Leben und im Tod instrumentalisieren.

Bei mir ist es ihnen im Spätsommer 2014 gelungen

Er will, dass seine Toten noch mehr verstören als all die anderen Toten, die man in manchen Gegenden dieser Welt live sehen muss und bei uns nur in Nachrichten und Filmen. Eines der Fotos, mit denen den Terroristen genau das bei mir gelungen ist, sah ich im Spätsommer 2014 im Propaganda-Magazin Dabiq. Es zeigte einen Mann, der vom IS enthauptet worden war. Der Mann lag auf dem Bauch, seinen abgetrennten Kopf hatten sie auf seinem Rücken platziert.

Obwohl ich an diesem Tag bereits zahlreiche Bilder von Leichen gesehen hatte, zogen sich in diesem Moment meine Eingeweide zusammen. Es war mehr als nur ein Mord, es war eine perverse Neuzusammensetzung eines geschundenen Körpers. Schon damals war mir klar, dass die IS-Propaganda bei mir in diesem Moment eines ihrer Ziele erreicht hatte. Ich habe das Bild bis heute nicht vergessen.

In den folgenden Monaten sah und las ich viele weitere Perversionen – und habe viele davon für mich behalten, um den Terroristen nicht auch noch diesen Sieg bei unseren Usern zu vergönnen, den sie bei mir schon erreicht hatten.

Eine Sache, die uns Mut macht

Mehr als 1000 von der Terrormiliz Islamischer Staat misshandelte Frauen und Kinder hat das Land Baden-Württemberg seit März 2015 in den Südwesten geholt. Für das dreijährige Programm hat das Land 95 Millionen Euro bereit gestellt. Es ist die weltweit einzige umfangreiche Unterstützung für misshandelte Jesidinnen. Laut Michael Blume, der im Staatsministerium in Stuttgart für das Sonderkontingent zuständig ist, hat die Integration bereits begonnen. Die ersten Frauen fänden den Weg in einen Beruf oder eine Ausbildung. Manche machten sogar den Führerschein, was in ihrer Heimat kaum möglich gewesen wäre. „Einige erfinden sich neu – und die Kinder blühen auf“, sagt Blume. Um auch vor Ort Hilfe leisten zu können, wurde im März in Dohuk im Nordirak ein Institut zur Ausbildung von Traumatherapeuten eröffnet, wie der „Deutschlandfunk“ berichtete. (dpa)

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